Verkehrspsychologe über Beschleuniger und Poser: „Sie leben in einer Parallelwelt“
Verformte Blechteile, dicke Kofferraumspuren, blaues Licht bei Nacht: Wenn junge Leute mit leistungsstarken Autos in Unfälle verwickelt werden, sind die Bilder ähnlich. Die Geschwindigkeiten sind hoch, die Fahrerfähigkeiten sind meist noch niedrig. Immer wieder enden solche Situationen sogar tödlich.
In vielen Fällen sind nicht die Fahrer selbst verletzt, sondern zufällige Passanten, die zur falschen Zeit am falschen Ort sind. Zum Beispiel im bayerischen Hof, wo ein 19-jähriger Fußgänger von einem 20-jährigen getroffen wurde. Auch die Anzahl der Voruntersuchungen bezog sich auf illegale Rassen scheint zu wachsenist die Datensituation bisher dünn.
Schließlich drei Männer mit ihren Sportwagen im hessischen A66 haben ein Rennen abgehalten und waren in einen tödlichen Unfall verwickeltDie Suche nach dem Fahrer eines Lamborghini dauert noch an.
Der Verkehrspsychologe Wolfgang Fastenmeier weiß, wie Tachometer und Plakate punkten.
SPIEGEL: Fast jede Woche gibt es Berichte über sogenannte Geschwindigkeitsunfälle. Warum verblassen der Rasen und die Pose einfach nicht?
Fastenmeier: Denn die Faszination für große Autos und hohe Geschwindigkeit stirbt nicht für Männer. Seit 2017 ist die Teilnahme an „Fahrzeugrennen“ auf öffentlichen Straßen strafbar. Dies schließt auch maximal illegales und rücksichtsloses Fahren mit dem Ziel ein, die höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen.
Die Anzahl dieser Straftaten wird nur für zwei Jahre erfasst, jedoch nicht in jedem Bundesland einheitlich. Dies erschwert einen Vergleich mit den Vorjahren. Aber: im Jahr 2019 Bundesamt für Kraftverkehr Bundesweit wurden 384 derartige Verstöße verzeichnet – 260 mehr als im Vorjahr. Zuvor wurden Raser und Poser zusammen mit anderen Straftätern angesprochen, sodass das Phänomen nicht so offensichtlich war. Wir unterscheiden nun zwischen alten und neuen Risikogruppen.
SPIEGEL: Was meinst du damit?
Fixativ: Klassische Bedrohungen sind diejenigen, die aufgrund ihrer Verstöße der MPU beitreten (medizinisch-psychologische Untersuchung, d. rot.) muss unterliegen. Es geht um Alkohol und Drogen am Steuer, um Menschen, die aufgrund vieler Punkte ihren Führerschein verlieren oder im Verkehr Straftaten begehen. Entfliehen Sie zum Beispiel einem Unfall. Andererseits werden Poser und Tachometer als neue Bedrohungen registriert. Menschen, die illegal in ihren Autos gefahren sind oder sich ihrer Autos rühmen, haben immer auf eine bestimmte Art und Weise existiert, aber nicht in dieser offensichtlichen Zahl. Übrigens zählen auch Gawkers zu dieser neuen Gruppe.
SPIEGEL: In einigen deutschen Städten hat die Polizei ihre Teams auf Bremsschwellen und Plakaten aufgestellt. im Hamburg Soko heißt »Autoposer«, in Köln „Lauf“. Offiziere beschäftigen sich fast ausschließlich mit jungen Männern. Warum
Fastenmeier: Junge Männer gehen in den ersten sechs bis acht Jahren ihrer Fahrerfahrung tendenziell ein höheres Risiko ein. Wenn Sie im Alter von 18 oder 20 Jahren zum ersten Mal alleine am Steuer sitzen, sind dies die Jahre, in denen Sie Ihre geistigen und körperlichen Kräfte vollständig beherrschen. Dies verleitet Sie zu gefährlichen Maßnahmen. In der kleinen, aber sehr prominenten Gruppe von Beschleunigern und Posern tritt dieses Verhalten besonders radikal in den Vordergrund. Wir beschreiben dies als „Gefühlssuche“, grob übersetzt: das Streben nach extremen Gefühlen, Empfindungen, starken Reizen. Männer lieben „Schock“, „Schock“, sie genießen die Angst, auf der Autobahn mit mehr als 200 Stundenkilometern zu beschleunigen. Sie fühlen sich nicht nachlässig, sondern mutig.
SPIEGEL: Woher kommt das? Die überwiegende Mehrheit der jungen Fahrer verhält sich gemäß den Regeln.
Fastenmeier: Einige der Leute, die in großen Autos sitzen, kommen aus schwierigen Verhältnissen. Viele haben keine oder nur niedrige Schulabschlüsse. Daher können sie nicht an der Spitze der Hierarchie der Berufe spielen. In der Schule sind sie sehr oft auf der Verliererseite. Und diejenigen, die sich sowieso für sozial fremd halten, neigen dazu, rücksichtslos zu sein. Kleidung kombiniert schlechte soziale Fähigkeiten, mangelnde Impulskontrolle und Aggression mit Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern. Dies geht so weit, dass die Verletzung oder sogar der Tod anderer Menschen bewusst akzeptiert wird.
SPIEGEL: Männer entschädigen also in illegalen Rassen, was fehlt ihnen sonst noch im Leben?
Fastenmeier: In jedem Fall bekommen sie ihr Selbstwertgefühl aus dem Auto und ihr Verhalten damit. Sie definieren sich meistens dadurch. Sie sind jemand mit einem großen und schnellen Auto.
SPIEGEL: Die Tatsache, dass Männer schnelle Autos mögen und sich von ihren Autos abheben, ist nichts Neues.
Fastenmeier: Das ist wahr. Aus psychologischer Sicht gibt es mehrere Motive für das Autofahren, die alle so alt sind wie das Auto selbst: Das Hauptmotiv ist Bewegung; so schnell wie möglich von A nach B zu gehen. Ein weiteres Motiv ist, dass Sie mit dem Auto Ihren sozialen Status dokumentieren und Anerkennung finden können – oder sich zumindest vorstellen können, dass Sie dies können. Und das individuelle Modell des Autos zieht die Aufmerksamkeit auf sich, was auch ein Anreiz sein kann. Aus meiner Sicht ist diese extreme Form neu: Immer wieder mit halsbrecherischer Geschwindigkeit durch die Innenstadt fahren. Es gab es in der Vergangenheit nicht.
SPIEGEL: 2016 haben sich zwei junge Menschen ergeben Berlin Als Autorennen fuhren sie mit bis zu 170 km / h auf dem Kurfürstendamm. Es gab einen Unfall, bei dem ein nicht beteiligter 69-Jähriger getötet wurde. In der Zwischenzeit wurde einer der Männer wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt, und er wird 2031 bald aus dem Gefängnis entlassen. Warum scheinen solche Urteile kein Hindernis zu sein?
Fastenmeier: Die Tatsache, dass drastische Strafen oder hohe Geldstrafen ein Hindernis darstellen, ist eine politische Fehleinschätzung – auch wenn wiederholt Zwang gefordert wird. Es gibt einige Beispiele aus Ländern auf der ganzen Welt, in denen die Strafen für Verkehrsverstöße erheblich gestiegen sind, die Unfallraten jedoch nicht gesunken sind. Harte Strafen sind nur dann wirksam, wenn es ein alternatives Verhalten für den Täter gibt, um gegen die Regel zu verstoßen. Oder wenn das unerwünschte Verhalten – zum Beispiel das Überschreiten des Tempolimits – nicht sehr konsistent ist. Dies ist bei Rasierapparaten und Postern nicht der Fall. Sie sind von ihrer Sache überzeugt.
SPIEGEL: Die vom Verkehrsministerium veröffentlichte Reform der Straßenverkehrsregeln sah auch strengere Strafen für die Beschleunigung von Verstößen mit einem neuen Bußgeldkatalog vor. Vielleicht hilft es nicht gegen Beschleuniger und Poser?
Fastenmeier: Aufsicht und Bestrafung „löschen“ das Verhalten nicht, wie wir aus dem Unterricht in Psychologie wissen. Bestenfalls erreicht jemand eine Verhaltensunterdrückung. Und nur solange es sofortige Kontrolle und Bestrafung gibt. Sie ändern nichts an der Einstellung und Motivation der berüchtigten Clowns und Poster.
SPIEGEL: Was wäre Ihrer Meinung nach dann nötig: mehr Radarkameras und mehr Polizeikontrollen?
Fastenmeier: Dies wäre nur dann sinnvoll, wenn die Szene immer die gleichen Pfade wählt. Umfassende Geschwindigkeitskontrollen würden hauptsächlich die meisten Automobile und in den meisten Fällen kleinere Überschreitungen abdecken. Dies hat für diese Risikogruppe keinen symbolischen Wert. Die Polizei berichtet manchmal, dass sie erfolgreich Warnungen ausgegeben oder Fahrzeuge beschlagnahmt hat. Manchmal wird auch die Betriebsgenehmigung widerrufen. Aus meiner Sicht sind dies Messer, aber sie funktionieren nur für kurze Zeit.
SPIEGEL: Was würde helfen?
Fastenmeier: Verkehrserziehungsansätze können auf lange Sicht etwas ändern. im Nordrhein Westfalen, Es gibt zum Beispiel den »NRW Crash Course«. Ältere Schüler werden durch den Kontakt mit den Betroffenen auf die familiären und sozialen Folgen tödlicher Verkehrsunfälle aufmerksam. Eine Ausweitung der Führerscheinverordnung auf Geschwindigkeitsüberschreitungen kann ebenfalls hilfreich sein. Dann können Fitnesstests früher durchgeführt werden. Aber wenn Sie an Extremfälle wie den Ku’damm in Berlin denken, ist die Frage natürlich, ob Sie mit einer persönlichen oder therapeutischen Adresse etwas erreichen können. Diese Menschen wollen es leben und ihre Überlegenheit gegenüber dem Rest der Welt zeigen. Sie haben sich bereits vom normalen Leben verabschiedet und leben in einer Parallelwelt.