November 15, 2024

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Anklage wegen Untreue gegen den vermissten Milliardär Tengelmann Haub

Anklage wegen Untreue gegen den vermissten Milliardär Tengelmann Haub

Karl-Erivan, Georg und Christian Haub (von links)

REUTERS / Ina Fassbender

Der verlorene Milliardär Karl-Erivan Haub lebte jahrelang ein Doppelleben mit einer russischen Geschäftsfrau.

Während seine Frau, die „Charly“ als Betreuerin außerhalb des Hauses vertritt, die Liebesbeziehung nicht kommentiert, zeigen die vertraulichen Akten des Unternehmens, wie ihr Schwager Christian derzeit nach Tengelmanns verlorenen Millionen in Russland sucht.

Bisher hat Christian Haub von der Familie von Karl-Erivan die Rückgabe von fast zwölf Millionen Euro gefordert, die vermutlich zu privaten Zwecken aus den Kassen des Unternehmens entnommen wurden.

Die Stunden vor dem Verschwinden von Karl-Erivan Haub sind in den Ermittlungsakten genau dokumentiert. Am 6. April 2018 buchte Tengelmann-Chef zwei Nächte im Omnia Hotel in Zermatt. Am nächsten Morgen um 7.30 Uhr machte er sich alleine auf den Weg zu einer gefährlichen Trainingstour in die Schweizer Alpen. Er fuhr mit dem Skilift zur Klein Matterhorn Bergstation. Dort oben, auf einer Höhe von 3820 Metern, zeichnete eine Videokamera das letzte Lebenszeichen auf. Um 9.09 Uhr verschwindet der Milliardärspfad.

Nichts deutet auf ein Verbrechen hin. Die polizeilichen Ermittlungen haben ebenfalls keine Beweise ergeben. Und doch gibt es im Tengelmann-Reich immer noch Spekulationen, dass „Charly“ keineswegs Opfer eines tragischen Unfalls geworden sei. Dies mag daran liegen, dass Karl-Erivan Haub ein Leben führte, in dem viele Dinge möglich schienen.

Paranoia verfolgt einen der reichsten deutschen Männer. Haubs Gedankenwelt entstand aus der Angst heraus, dass jemand sein Geld verschwenden oder ihm Schaden zufügen möchte. Erpressungsversuche und Drohungen verstärkten diesen Eindruck bei ihm. Also begann er, Leute, die zu ihm kamen, systematisch überwachen zu lassen, und zu diesem Zweck kaufte er sogar heimlich Anteile an einem Detektivbüro in Hannover. Private Ermittler entließen Leibwächter, Geschäftspartner, Nachbarn und sogar Mitglieder seiner Familie. Niemand sollte in der Lage sein, ein Geheimnis vor ihm zu bewahren, und niemand sollte alle seine Geheimnisse kennen.

Laut Business Insider-Untersuchungen führte der ehemalige Tengelmann-Chef ein doppelt verstecktes Leben. Der für die Öffentlichkeit sichtbare wohlhabende Geschäftsmann leitete ein internationales Handelsimperium, traf sich mit dem Kanzler und nahm an festlichen Empfängen in Begleitung seiner Frau Katrin teil. Anscheinend teilte er den Rest seines Lebens mehr als ein Jahrzehnt lang mit einer Frau aus St. Petersburg. Zu dieser Zeit arbeitete Veronica E. für eine Eventagentur und war Berichten zufolge an der Organisation einer Geburtstagsfeier für Karl-Erivans Mutter beteiligt. In ihrem Profil auf der Firmenhomepage schrieb sie über sich selbst, dass sie Berge, extreme Abenteuer und Adrenalin mag. Wie „Charly“.

Für viele Jahre war dieses Thema nur ein Gerücht im Tengelmann-Reich. Sicherheitsbeamte waren überrascht, dass Haub keine Leibwächter zu angeblichen Geschäftstreffen in Russland mitnahm. Nach Angaben von Begleitpersonen soll er auch einen russischen Pass erhalten haben, um auf Linienflügen bedeutungslos zu reisen. Der Beweis der geheimen Liebe erschien jedoch nur, als Karl-Erivan während Rettungsaktionen Textnachrichten las. Deshalb schrieb Veronica E. an dem Tag, als Karl-Erivan verschwand, dass sie jetzt auf dem Weg nach Moskau sei. Ihre Mitarbeiter erinnern sich kaum an persönliche Treffen. Sie haben die letzte Nachricht Ende 2019 erhalten, als Veronika ihren Rücktritt per E-Mail übermittelte. Seitdem ist der Kontakt unterbrochen. Daher stellen viele Familienangehörige die Frage: Kann sich Karl-Erivan verstecken, um ein anderes Leben führen zu können?

Auf Nachfrage äußert sich Katrin Haub, die als Pflegekraft außerhalb des Hauses die Interessen ihres Mannes vertritt, zu keinem dieser Punkte. Ihr Anwalt erklärt, dass dies unbegründete Spekulationen sind und berichtet, dass dies ihre Persönlichkeitsrechte verletzen würde. Die bewegte Vergangenheit von Karl-Erivan Haub spielt jedoch seit langem eine Rolle im erbitterten Streit zwischen Katrin und ihrem Schwager Christian – Tengelmanns neuem Chef. Die Frau aus Köln möchte, dass das Unternehmen zur Finanzierung der Erbschaftssteuer beiträgt. Er möchte die Familienlinie seines Bruders aus dem Unternehmen entfernen. Sogar die Todeserklärung von Karl-Erivan, die noch nicht stattgefunden hat, ist zum Streit geworden. Und solange sich die beiden Seiten nicht auf den letzten Dezember einer Abfindung in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar einigen können, sollten die Gebühren und gegenseitigen Schäden nicht gestoppt werden.

Vor diesem Hintergrund hat Christian vor Monaten eine Untersuchung des Falles Russland durchgeführt. Es geht auch um Firmengelder im Wert von rund 40 Millionen Euro, die zwischen Moskau und St. Petersburg verschwunden sein sollen. Bei Immobilienakquisitionen für die geplanten Plus-Filialen zwischen 2010 und 2015 wurden Berichten zufolge die Mittel des Unternehmens verwendet. Karl-Erivan erhielt zu diesem Zeitpunkt persönlich verdächtige Berichte von der Prüfungsabteilung, stoppte jedoch weitere Beweise. Ob Veronika E. dabei eine Rolle spielte, ist noch nicht geklärt.

In einem anderen Fall sind christliche Behauptungen spezifischer. Tengelmann fordert von der Familie Köln rund zwölf Millionen Euro, die Karl-Erivan angeblich missbraucht hat. Laut vertraulichen Unterlagen von Business Insider finanziert das Unternehmen seit Jahren „Charly“ -Spionageaufträge. Das Privatdetektivbüro Adato stellte acht Millionen Euro in Rechnung, nur um seinen Bruder Georg zu beaufsichtigen.

Die Operation mit dem Codenamen „Sissy“ sollte klären, ob Georgs damaliger Partner Teil einer kriminellen Verschwörung gegen das Tengelmann-Reich war. Nach Adatos Ermittlungen soll sie Georg absichtlich den Bankdirektor Francisco C. vorgestellt haben. Ein Mann, der verdächtigt wird, zu gefährlich zu sein: Ende der neunziger Jahre war C. Chef der deutschen Firma St. Petersburg Immobilien AG, deren Beirat Wladimir Putin war und der seit langem des Geldwäschens für die russische Mafia verdächtigt wird. Eine Untersuchung durch die Staatsanwaltschaft wurde aufgrund der Verjährungsfrist unterbrochen.

Diese und andere schattige Geschichten aus dem Tengelmann-Clan sorgten ebenfalls für weitere Spekulationen. Kurz nachdem Karl-Erivan vermisst wurde, kam ein Brief an die Kriminalpolizei. Darin drückt ein langjähriger Familientreuhänder seinen Verdacht aus, dass der Milliardär Opfer eines Verbrechens geworden sein muss. Bisher gibt es jedoch keine schlüssigen Beweise dafür.

Tengelmann bittet nun Katrin Haub, Adatos vertrauliche Dokumente zu übergeben. Einschließlich des Untersuchungsberichts über den Schatten von Felix W., Karl-Erivans langjährigem Leibwächter. Warum es für Tengelmanns Chef insgesamt zwei Millionen Euro wert war, diesen Mann auszuspionieren, steht in einem internen Brief: Karl-Erivans Verteidiger soll Katrin Haubs Freund gewesen sein. W. bestreitet es.

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