„Anselm“-Rezension: Wim Wenders‘ 3D-Erkundung des deutschen Künstlers Kiefer
Der neueste Dokumentarfilm von Wim Wenders, „Anselm“, ist eine atemberaubende Hommage an das Werk des deutschen Malers und Bildhauers Anselm Kiefer. Der mit hochauflösenden Rigs gedrehte Film präsentiert einen charmanten und filmischen Katalog von Kiefers äußerst greifbaren und extremen Werken. Wie Wenders‘ Hommage an die verstorbene Tänzerin Pina Bausch aus dem Jahr 2011 wird auch „Anselm“ durch den Einsatz von 3D-Projektion bereichert und ist kein ehrfurchtgebietender Nervenkitzel für diejenigen, die leicht begeistert oder jünger sind.
Anselm überschneidet sich mit Sophie Fiennes‘ Dokumentarfilm „Over Your Cities Grass Will Grow“ aus dem Jahr 2011, der ebenfalls in Cannes uraufgeführt wurde. Allerdings erweitert Wenders‘ Film seinen Fokus auf Kiefers frühes und jüngstes Werk und nicht nur auf die monumentale Installation, die sein ehemaliges Atelier in Barjac, Frankreich, kennzeichnet. Der Film zeigt auch zwei Schauspieler, die Kiefer in kleineren Phasen seines Lebens spielen, wobei der 78-jährige Kiefer die ganze Zeit über sich selbst spielt. Während dramatische Nachstellungen wie ein dokumentarischer Gimmick wirken, setzt Wenders sie effektiv ein und setzt seine Schauspieler fast wie Gnome oder Fleischmaschinen ein.
Der wahre Star der Show ist die Kunst von Kiefer selbst. Wenders starrt träge auf Kiefers Skulpturen, insbesondere auf die gestapelten Strukturen, freistehenden Gipskleider und monumentalen Gemälde. Die 3D- und 6K-Auflösung bietet dem Betrachter die seltene Gelegenheit, das Werk hautnah zu erleben, dessen Oberfläche oft aus allen möglichen Materialien außer der wichtigen Farbe des Künstlers besteht. Dazu gehören getrocknete Pflanzenmaterialien, Metalle, die er schmilzt und über die Oberfläche gießt, Papier, Asche, aus der er frühere Schichten verbrannte, menschliches Haar und sogar die Kefirschale selbst.
Kiefer erscheint als echter alter Mann des Kunstbetriebs, voller Prahlerei und BDE. Es gibt Auszüge aus Interviews mit ihm über seine Arbeit, die er einigermaßen sachkundig bespricht, aber nicht den Hauch einer Recherche zu seiner persönlichen Biografie. Der Film konzentriert sich stark auf die Kunst selbst, insbesondere auf Werke, die sich auf harte Weise mit der Nazi-Vergangenheit Deutschlands auseinandersetzen, einer Ära, die mit dem Geburtsjahr von Kiefer und Wenders endete.
Auch wenn sich einige Zuschauer eher nach mehr aufschlussreichem Material über Kiefers menschengroßen Charakter als nach dem überlebensgroßen Mythos sehnen, ist „Anselm“ immer noch eine beredte Hommage an Kiefers Werk. Der Film ist ein Muss für Kunstliebhaber und alle, die sich für die Erkundung der Feinheiten der deutschen Vergangenheit interessieren.