Bahnhöfe: So viele Fahrkartenautomaten wurden bereits in die Luft gesprengt wie im letzten Jahr
Es wurden bereits so viele Fahrkartenautomaten in die Luft gesprengt wie im gesamten Vorjahr
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Die für den Schutz deutscher Bahnhöfe zuständige Bundespolizei meldete jahrelang einen Rückgang. Aber jetzt ist die Anzahl der durchgebrannten Fahrkartenautomaten trotz strengerer Sicherheitsmaßnahmen zum ersten Mal deutlich gestiegen. Die Täter nutzen eine entscheidende Schwachstelle.
U.Um 4:28 Uhr riss eine gewaltsame Explosion die Bewohner der Hamburger S-Bahn-Station Alte Wöhr aus dem Schlaf. Sie alarmierten die Polizei über den Lärm. Im Bahnhof waren zwei Fahrkartenautomaten in die Luft gesprengt worden. Auf der Flucht verloren die Täter einige Banknoten. Sie waren auf der Straße verstreut. Das geschah Mitte April.
Aber die Geldspur führte nicht zu den vermutlich drei Tätern, sie waren schon lange weg, die staatliche Kriminalpolizei hat bisher keine Ergebnisse gefunden. Allein die Hamburger Polizei bezifferte den Sachschaden durch die Explosion auf mindestens 40.000 Euro. „Die Menge der gestohlenen Waren“, sagte sie zu WELT, „kann noch nicht endgültig angegeben werden.“
Der Fall ist einer von 54 bundesweit im ersten Halbjahr 2020 registrierten Polizisten. Dies bedeutet, dass der Wert für das gesamte Jahr 2019 mit 55 Fällen fast erreicht wurde. Seit Jahren waren die Zahlen gesunken, von 185 Fällen im Jahr 2016 auf 93 Fälle im Jahr 2017 und dann auf 78 im Jahr 2018. Jetzt gibt es erstmals wieder einen deutlichen Anstieg.
Die für den Schutz der Bahnhöfe zuständige Bundespolizei sucht derzeit nach Gründen dafür. „Konkrete Erklärungen für die Zunahme von Angriffen mit Sprengstoff können derzeit nicht genannt werden“, teilte die Bundespolizei in Potsdam WELT mit.
Neben den gesprengten Maschinen gibt es die aufgebrochenen Maschinen. Laut Bahn waren es im vergangenen Jahr 420, im Jahr 2018 330 – und im ersten Halbjahr 183 183. Der Gesamtschaden betrug laut Bahn im vergangenen Jahr zwei Millionen Euro.
Der Sachschaden übersteigt die Beute um ein Vielfaches – der komplette Austausch einer Maschine kostet bis zu 30.000 Euro. Wenn die Kriminellen erfolgreich sind, stehlen sie normalerweise zwischen ein paar hundert und 2000 Euro. Die Täter leiten ein entzündbares Gasgemisch in die Geräte oder verwenden Pyrotechnik, um das Geld zu erhalten.
Das Sprengen von Fahrkartenautomaten kann lebensbedrohlich sein. Ein 19-jähriger Täter starb im Oktober 2018 in Halle. Im März 2017 wurde ein 31-jähriger Täter in Dortmund durch die Detonation tödlich verletzt. Die Deutsche Bahn hat ihre Sicherheitsmaßnahmen seit 2015 verschärft.
Farbpatronen entwerten das Geld und markieren die Täter
Die meisten der 6000 Ticketautomaten sollen jetzt Farbpatronen haben, die Banknoten beim Schütteln mit nicht entfernbarer Tinte färben und damit unbrauchbar machen – aber die Täter können identifiziert werden. „In einigen Fällen könnten die Täter verurteilt werden, weil sie die Farbe auf ihren Händen und Kleidern hatten“, sagt die Eisenbahn. Die Maschinen würden auch öfter geleert. Und Kartenzahlung sorgt für weniger Geld.
In den meisten Fällen werden Ticketautomaten geöffnet oder eingebrochen, wenn keine Videokameras vorhanden sind. Die meisten der 5400 deutschen Bahnhöfe haben keine. Nur bei 1000 von ihnen gibt es rund 7000 Kameras – vielleicht hat deshalb die Anzahl der Maschinen, in die eingebrochen wurde, zugenommen.
Effekte zeigen Camcorder anscheinend mit taschen- und handgepäckdiebstahl. Ihre registrierte Zahl ist seit 2016 stetig gesunken, von 21.128 zu diesem Zeitpunkt auf 9068 im Vorjahr. Die Bundespolizei fand im ersten Halbjahr 2020 nur 2.844 solcher Diebstähle, auch wegen Corona. Weniger gereist.
Anders als in Hamburg konnte die niedersächsische Polizei im Mai dieses Jahres einen Erfolg melden. Bei Razzien an mehreren Orten verhaftete sie Mitglieder einer mutmaßlichen Automatenbande mit sechs Personen. 230 Beamte waren an der Großoperation beteiligt, und drei Männer, 28, 32 und 41 Jahre alt, wurden festgenommen. Zwei kommen aus Ex-Jugoslawien, einer hat türkische Wurzeln.
Sie werden beschuldigt, von Dezember 2019 bis April 2020 in den Bezirken Lüneburg, Uelzen und Heidekreis in die Luft gesprengt und in Fahrkartenautomaten eingebrochen zu sein. Hintergrund der Aktion ist ein Verfahren wegen Verdachts auf Sprengstoffverursachung, das von einer gemeinsamen Untersuchungsgruppe von die Bundes- und Landespolizei. Dort fand am 17. Juni eine weitere erfolgreiche Untersuchung gegen drei weitere junge Männer statt.
Bemerkenswerte Erfolge, denn die Täter brauchen nur drei Minuten, um die Beute in die Luft zu jagen – die Gefahr, entdeckt zu werden, ist daher oft äußerst gering.
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