Bundesjustizminister fordern Reform des Kollektivverfahrens
Laut JuMiKo Präzision (PDF/119KB) Allein die Aufstockung des Gerichtspersonals und die Digitalisierung der Gerichte werden die Probleme bei der Bewältigung der wachsenden Zahl von Sammelklagen nicht lösen. Es forderte daher den Bundesminister der Justiz auf, ein entsprechendes Reformpaket zu initiieren.
Sammelklagen, bei denen die Interessen einer Vielzahl betroffener Verbraucher gebündelt und vor Gericht vertreten werden, nehmen in Deutschland seit Jahren zu. Dies liegt nach Ansicht von Experten vor allem daran, dass auf diesen Bereich spezialisierte Legal-Technology-Unternehmen und Claims-Management-Unternehmen die von der Werbung betroffenen Verbraucher ansprechen. Neue Technologien ermöglichen es diesen Unternehmen, ähnliche Fälle zu bündeln und Verbraucherinteressen gemeinsam vor Gericht zu vertreten. Im Gegenzug verlangen sie normalerweise eine Passgebühr. Dies ist für Verbraucher vor allem dann attraktiv, wenn ihr Schaden so gering ist, dass sie einzelne Gerichtsverfahren und die damit verbundenen Kosten scheuen.
„Schadensmanagementgesellschaften und Legal-Technology-Plattformen können durch Niedrig-Mindest-Angebote in bestimmten Regionen den Zugang von Verbrauchern zur Justiz erleichtern und Kosten sparen. Außerdem können sie neue Geschäftsfelder für kleine und mittelständische Unternehmen erschließen“, so der bayerische Minister Justiz, Georg Eisenreich, der die Entscheidung Gomeko auf seine Initiative stützte. Doch im Rahmen dieser Sammelklagen gebe es mitunter „unnötige Mehrbelastungen der Gerichte und unnötige Verzögerungen“. Konsolidierte Schriftsätze hätten oft wenig mit dem Einzelfall zu tun, Anhänge seien nicht immer richtig zugeordnet und Anfragen des Gerichts blieben oft unbeantwortet.
JuMiKo hat eine Revision des Bürgerlichen Gesetzbuches, der Zivilprozessordnung, des Berufs- und Rechtsdienstleistungsgesetzes sowie des Gebühren- und Kostengesetzes vorgeschlagen. Dabei soll geprüft werden, ob durch Gesetzesänderungen in diesen Bereichen Rechtsstreitigkeiten schneller beigelegt werden können. Damit würde die Idee eines neuen Vorabentscheidungsverfahrens in Sammelklagen des Bundesgerichtshofs, das die JuMiKo in diesem Sommer skizziert hat, umgangen. Der Beschluss lässt offen, wie die Reformen konkret aussehen könnten, macht aber deutlich, dass die Rechte der Bürger nicht eingeschränkt werden dürfen.
„Eine wirksame Durchsetzung von Verbraucherrechten ist wichtig. Die derzeitige Rechtslage führt jedoch zu einem unnötigen Verbrauch wertvoller juristischer Ressourcen. Gerichte brauchen die rechtlichen Instrumente, um Sammelklagen in angemessener Zeit bearbeiten zu können“, sagte Eisenreich.
Laut Jonah Weisbach, Experte für Prozessrecht bei Pinsent Masons, entspricht die Einschätzung von Eisenreich den aktuellen Meinungen der Gerichte und Richter selbst. Wie ich bereits erwähnte Frankfurter Allgemeine Zeitung (Artikel in deutscher Sprache) Neun Richter des Landgerichts Augsburg schrieben einen „flammenden Brief“ an das Landgericht München und stellten fest, dass die zunehmende Zahl von Gruppenklagen Burnout verursacht und die psychische Gesundheit und Motivation beeinträchtigt. In seinem Schreiben erklärte das Gericht, dass sich das Berufsbild der Richter drastisch ändere und das Landgericht zu einem bloßen „Durchlauferhitzer“ werde.
„Das Landgericht Frankfurt am Main hat sich ähnlich geäußert: Dem Gericht droht derzeit eine Klagewelle gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, die im Zusammenhang mit der Insolvenz von Wirecard anhängig wird“, sagte Weißbach. „Es sind bereits 1.500 Verfahren anhängig, und viele weitere Klagen sind angekündigt. Der Vorsitzende Richter stellte fest, dass es bei der derzeitigen Zahl von Richtern schwierig ist, die Arbeitsbelastung zu bewältigen.“