Corona-Krise: Dieser Streit zeigt die wachsende Nervosität
EINAm Montagabend, kurz vor 22 Uhr, platzte Heiner Gargs Kragen. „Die Tatsache, dass @Markus_Soeder ausgerechnet 15 anderen Ländern die Welt noch einmal erklären möchte“, twitterte Schleswig-Holsteins ansonsten vorsichtig kommunizierender Gesundheitsminister im Hinblick auf Bayerns frühere Corona-Solo-Versuche, einschließlich Testzusammenbrüchen, „einfach grotesk“. . Premierminister Söder, so der FDP-Mann weiter, sollte sich künftig „auf Bayern konzentrieren“ und die anderen Länder ihre Arbeit machen lassen. „Niemand braucht wirklich seine Appelle und Lehren“.
Ende der Ankündigung. Das Coronavirus greift nicht nur die Gesundheit der Infizierten an. Es belastet auch die Nerven der verantwortlichen Politiker und die föderalen Beziehungen zwischen den 16 Bundesländern.
Es ist erst gut drei Monate her, seit sich Bundeskanzler und Ministerpräsidenten der Bundesländer einig waren, dass der Kampf gegen das Coronavirus im Wesentlichen in den Händen der Bundesländer liegen sollte. Dies wollte einerseits die Tatsache berücksichtigen, dass Covid-19 in Ländern wie dem dünn besiedelten Mecklenburg-Vorpommern viel schwieriger war als in den dicht besiedelten Regionen des Ruhrgebiets. So waren auch Bayern und Baden-Württemberg im Süden der Republik viel stärker betroffen als Sachsen oder Schleswig-Holstein im Norden und Osten.
Die Regionalisierung der Pandemiekontrolle war ebenfalls eine Flexibilisierung. Gleichzeitig gab es den verschiedenen Regierungschefs, insbesondere in den Lockerungsphasen, die Möglichkeit, medienwirksame Auftritte der Patriarchen und Patriarchen zu machen.
Jetzt wird es wieder schwieriger. Die Zahl der Infektionen und schlechten Nachrichten nimmt zu. Und damit – ein Schurke, der schlecht denkt – auch die Forderung nach einheitlichen Lösungen. Nicht nur der bayerische Markus Söder (CSU) drängt darauf, die „Zügel“ bundesweit „zu straffen“, wenn möglich im Gleichschritt mit allen 16 Bundesländern, um den Kampf gegen die Pandemie konsequenter zu gestalten, höhere Geldstrafen für diejenigen, die dies nicht tun Tragen Sie Masken und höhere Strafen für Verstöße gegen die Quarantäne. Auch der Regierungschef des Saarlandes, Tobias Hans (CDU), und der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sprachen sich für mehr „Einheitlichkeit“ aus.
Gemeinsame Regeln, so Tschentscher, „machen die Maßnahmen verständlicher“. Infolgedessen halten sich mehr Menschen besser an sie und arbeiten auch besser. Insbesondere wenn es um die Rücknahme von Lockerungen oder die Verschärfung von Bedingungen und Strafen geht, sei es wünschenswert, wenn sich Bund und Länder auf einen gemeinsamen Ansatz einigen könnten.
So werden sich Kanzler und Ministerpräsident an diesem Donnerstag zum ersten Mal seit Mai wieder zu einer Videokonferenz treffen, um die weitere Vorgehensweise zu erörtern. Unter anderem werden Test- und Quarantäneverpflichtungen für Reisende, die aus Risikobereichen zurückkehren, sowie die Vereinheitlichung der Regeln für private und öffentliche Feiern erörtert.
Die von CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer vorgeschlagene Verpflichtung, bei der Arbeit eine Maske zu tragen, ist ebenfalls zu behandeln, wird jedoch mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit nicht gelöst. Die meisten Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, sehen derzeit keinen besonderen Bedarf an politischer Regulierung in den Unternehmen. In Niedersachsen heißt es beispielsweise, dass sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer an den Arbeitsplätzen, an denen dies erforderlich ist, äußerst verantwortungsbewusst verhalten.
Stattdessen sollte der Schwerpunkt auf den Problemgruppen liegen, die nach Ansicht der meisten Experten in erster Linie für den erneuten Anstieg der Infektionszahlen verantwortlich sind. Die Reisenden kehren aus Risikogebieten zurück, die inzwischen nach Spanien mit den Balearen auch einen großen Teil der französischen Mittelmeerküste und den meisten Balkanstaaten ausmachen. Und diejenigen, die bereit sind zu feiern und zu feiern, für die derzeit landesweit eine Vielzahl von Einschränkungen gelten. Von maximal zehn bis 50, 75 oder 250 bis maximal 500 Teilnehmern ist so ziemlich alles möglich. Je nachdem welches Bundesland feiert.
Ein einheitlicher Ansatz ist eher unwahrscheinlich
Es ist nicht ganz unmöglich, dass am Donnerstag eine einheitliche Lösung gefunden wird, aber es ist eher unwahrscheinlich. Insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern mit ihren nach wie vor sehr niedrigen Infektionsraten halten die Regierungschefs ohnehin wenig von einer Verschärfung der Koronaregeln – vor allem nicht, wenn es um Eingriffe in die Privatsphäre geht. Dort sind sie noch auf einem Lockerungskurs: Mecklenburg-Vorpommern hat am Dienstag gerade wieder Tagestourismus erlaubt. In Sachsen-Anhalt erwägt Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU), Sporthallen und Stadien für Zuschauer zu öffnen.
Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) widersprach eindeutig Söders Forderung nach gemeinsamen Regeln für alle Länder. Es macht absolut keinen Sinn, einheitlich gegen den Erreger vorzugehen. Der entscheidende Faktor ist nun, „keine Spatzen mit Kanonen zu schießen“ und alles zu verallgemeinern. In Ländern mit einer hohen Anzahl von Infektionen müssen entscheidende Maßnahmen ergriffen werden. Dort sind auch Maßnahmen erforderlich, „die wir beispielsweise in Sachsen nicht ergreifen müssen“.
Die mecklenburgisch-westpommernische Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) lehnte ebenfalls Forderungen nach landesweiten Obergrenzen für Veranstaltungen und private Feiern ab.
Andererseits würden westdeutsche Staaten mit relativ strengen Koronaregeln wie Niedersachsen oder Schleswig-Holstein wahrscheinlich einheitlichen nationalen Regeln zustimmen wollen – aber nur, wenn dies nicht zu einer weiteren Lockerung der derzeit geltenden Beschränkungen führen würde.
Selbst beim zweiten aktuellen Hauptthema, den Test- und Quarantänevorschriften, sind die Zeichen nicht unbedingt auf eine Einigung ausgerichtet, wie aus dem oben erwähnten Tweet des Schleswig-Holsteiner Gesundheitsministers hervorgeht.
Immerhin: Bayerns Ministerpräsident hat sich nicht nur mit seiner Forschungskoronapolitik in Kiel Feinde gemacht. Andererseits. Tobias Koch, Vorsitzender der CDU-Fraktion, war der erste führende norddeutsche Politiker, der sich für Markus Söder als künftigen Kanzlerkandidaten der Union aussprach. Seine persönliche Lieblingskonstellation ist es, mit dem CSU-Chef als Spitzenkandidaten zu gehen Bundestagswahl Um im Jahr 2021 umzuziehen, sagte Koch laut NDR. So gesehen zahlt sich Söders medienwirksamer Umgang mit der Corona-Krise auch im Norden aus.