Deutschlands obligatorischem Hinweisgebersystem einen Schritt näher | White & Case LLP
Nach dem ersten Versuch Deutschlands im vergangenen Jahr, die Hinweisgeberrichtlinie der Europäischen Union (Richtlinie (EU) 2019/1937) umzusetzen, die eine europaweite Koordinierung und einen besseren Schutz von Hinweisgebern gewährleisten soll, hat das Bundesministerium der Justiz nun einen Gesetzentwurf für einen Hinweisgeberschutz veröffentlicht Gesetz für Verstöße. (Hinweisgeberschutzgesetz). Da die Frist zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie 2019/1937 in ein nationales Gesetz am 17.12.2021 erfolglos abgelaufen ist, ist mit einer raschen Verabschiedung und Umsetzung des Gesetzes zu rechnen. Ab sofort gibt es keine Übergangsregelungen für Unternehmen ab 250 Beschäftigten. Auch die meisten anderen europäischen Länder haben bereits ähnliche nationale Gesetze erlassen oder stehen kurz davor, dies zu tun.
1. Verpflichtung zur Vorbereitung von Berichtssystemen
Nach dem aktuellen Gesetzentwurf sind Unternehmen mit mehr als 49 Beschäftigten verpflichtet, Meldesysteme zu erstellen oder bestehende Meldesysteme an neue Anforderungen anzupassen. Unternehmen mit bis zu 249 Mitarbeitern wird eine Schonfrist bis Dezember 2023 eingeräumt. Unternehmen in „sensiblen“ Branchen müssen unabhängig von der Anzahl ihrer Mitarbeiter eine Meldestelle einrichten (dies gilt u. a. für Wertpapierdienstleistungsunternehmen). und Vermögensverwaltung von Unternehmen). In einigen Bereichen, wie etwa dem Finanzordnungsrecht, gibt es bereits eine Reihe von branchenspezifischen, teils höherrangigen Anforderungen, die die Einrichtung einer Meldestelle grundsätzlich vorschreiben, jedoch keine Verfahren oder verhaltensbezogenen Pflichten oder Anforderungen vorgeben in Bezug auf die interne Regulierung. In diesen Fällen sind die zusätzlichen Anforderungen des Hinweisgeberschutzgesetzes zu beachten.
Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Meldestellen von unabhängigen, kompetenten Personen oder externen Ombudsleuten, beispielsweise von externen Rechtsanwälten, betrieben werden. Laut Gesetzentwurf könnten Meldestellen und Ermittlungen auf Konzernebene zentralisiert werden. Dies entspricht der gängigen Praxis, wonach Unternehmen (insbesondere global agierende Organisationen) über zentrale Hinweisgebersysteme auf Konzernebene verfügen, sodass alle eingehenden Meldungen auf Konzernebene bearbeitet werden. Allerdings ist zu beachten, dass die Stellungnahme der EU-Kommission vom Juni 2021 feststellt, dass Hinweisgebersysteme auf Gruppenebene grundsätzlich nicht den Anforderungen der Richtlinie genügen. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union haben dazu noch keine klare und einheitliche Position bezogen.
2. Grundlegende Verfahrensaspekte
Meldewege sollten sowohl Mitarbeitern als auch Zeitarbeitskräften der beteiligten Unternehmen offen stehen (was aus allgemeiner Compliance-Sicht sinnvoll sein kann) und können auch Dritten (z. B. Lieferanten und Kunden) zur Verfügung gestellt werden.
Das Hinweisgebersystem soll dem Gesetzentwurf zufolge schriftliche oder mündliche Meldungen ermöglichen, die auf mögliche Straftaten, bestimmte Arten von Ordnungswidrigkeiten und Verstöße gegen verschiedene nationale und europäische Gesetze und Vorschriften hinweisen (darunter Verstöße gegen Bestimmungen zum Schutz des Lebens oder der Gesundheit, Produktsicherheitsstandards, Vorschriften zur Bekämpfung der Geldwäsche, zum Schutz öffentlicher Beschaffungsverfahren, zum Umweltschutz, zur Arzneimittelsicherheit, zu Aktionärsrechten und zu anderen Kapitalmarktschutzvorschriften). Der Gesetzentwurf geht über den Anwendungsbereich der EU-Whistleblower-Richtlinie hinaus, indem er auch Verstöße gegen mehrere Bestimmungen des nationalen Rechts (einschließlich Straftaten wie Wirtschaftsdelikte und einige Ordnungswidrigkeiten) behandelt.
Gemäß den europäischen Anforderungen gibt es keine hierarchische Beziehung zwischen internen und externen Berichten. Hinweisgebern steht es frei, interne Meldesysteme zu nutzen oder sich an externe Meldestellen zu wenden, die das Recht haben, von Unternehmen Auskunft zu verlangen. In bestimmten Fällen können Hinweisgeber direkte Offenlegungen vornehmen.
Ausübung des Wahlrechts Im Rahmen der EU-Whistleblower-Richtlinie sieht der Gesetzentwurf vor, dass keine anonymen Meldewege eingerichtet oder anonymen Hinweisen nachgegangen werden muss. In der Praxis sind anonyme Meldungen jedoch weit verbreitet.
Meldungen und Identitäten von Whistleblowern und potenziellen Übertretern müssen vertraulich behandelt werden. Dabei ist das Need-to-Know-Prinzip zu beachten. Die Offenlegung von Informationen über den gemeldeten Verstoß an die Öffentlichkeit unterliegt strengen Auflagen. Meldungen müssen dokumentiert werden, werden aber zwei Jahre nach Abschluss der Ermittlungen gelöscht.
Der Hinweisgeber hat das Recht auf ein persönliches Treffen mit einem Vertreter der Meldestelle und muss innerhalb von sieben Tagen eine Eingangsbestätigung seiner Meldung erhalten. Kommentare zu geplanten oder bereits ergriffenen Maßnahmen als Reaktion auf eine Meldung sowie die Gründe für die Auswahl dieser Maßnahmen müssen dem Hinweisgeber innerhalb von drei Monaten übermittelt werden, damit der Hinweisgeber bestimmen kann, wie und ob die Meldung verwendet wird möglicherweise an eine externe Stelle und/oder das Publikum appellieren möchten.
3. Bußgelder / Risiken
Unternehmen können mit Geldbußen belegt werden, insbesondere Unternehmen, die Meldeverstöße behindern oder mit Vergeltungsmaßnahmen gegen Hinweisgeber reagieren, können mit einem Bußgeld von bis zu 1 Million Euro belegt werden. Auch das Fehlen einer verantwortlichen Stelle trotz Verpflichtung dazu ist bußgeldbewehrt. Zudem riskieren Unternehmen Reputationsschäden sowie das Risiko, dass Hinweisgeber sich direkt an die Behörden oder die Öffentlichkeit wenden, so dass das Unternehmen seine Souveränität über das Geschäft verliert. Daher müssen Unternehmen entsprechende Schutzmechanismen implementieren.
Darüber hinaus sieht der Gesetzentwurf eine Beweislastumkehr vor, wonach der Arbeitgeber nachweisen muss, dass etwaige Disziplinarmaßnahmen oder sonstige Mängel des Hinweisgebers in keinem Zusammenhang mit der Meldung stehen. Um solche Nachweise erfolgreich einreichen zu können, ist ein hohes Maß an innerer Sicherheit und Dokumentation erforderlich.
Erteilt ein Hinweisgeber vorsätzlich oder grob fahrlässig eine Falschmeldung gegenüber einem Unternehmen, kann der Geschädigte Schadensersatz verlangen.
4. Dringender Arbeitsbedarf
Unternehmen mit ausgefeilten Compliance-Management-Systemen können auf ihren bestehenden Meldewegen und -prozessen aufbauen. Kleine Anpassungen werden jedoch nicht ausreichen. International tätige Unternehmen müssen nicht nur die in Deutschland geltenden nationalen Besonderheiten berücksichtigen, sondern auch die in anderen EU-Mitgliedstaaten und in anderen Jurisdiktionen, in denen das Unternehmen tätig ist. Darüber hinaus sind datenschutzrechtliche, arbeits- und gesellschaftsrechtliche sowie strafrechtliche Implikationen, etwa zum Schutz fremder Geschäftsgeheimnisse bei Hinweisgebermeldungen eines Vertragspartners, zu berücksichtigen Konto.
Die Implementierung eines Berichtssystems oder die Änderung eines bestehenden Systems ist nur der Anfang. Anschließend muss das System entsprechend geführt werden, was einen erheblichen organisatorischen und personellen Aufwand für die beteiligten Unternehmen bedeuten kann.
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