Eine Corona-Infektion kann zu Hirnschäden und Schlaganfällen führen
Das Coronavirus kann auch das Gehirn angreifen und neurologische Defizite wie Geruchsstörungen oder Schlaganfälle verursachen. Charité-Forscher haben eine mögliche Erklärung dafür gefunden.
Viele Koronapatienten sind nach der akuten Erkrankung nicht beschwerdefrei. Sie klagen über lang anhaltende Symptome wie Müdigkeit oder Kopfschmerzen.
Das Virus kann jedoch nicht nur vorübergehende neurologische Symptome verursachen. Folgen können auch aus einer Covid 19-Krankheit resultieren. Das erklärt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN).
Schlaganfall und Gehirnentzündung bei Covid-19
Neuere Studien und Fallberichte beschreiben zunehmend die Auswirkungen von Covid-19 auf das Gehirn. Viele Covid-Patienten berichten von einem verminderten Geruchs- und Geschmackssinn, der Monate anhalten kann. Experten vermuten, dass in diesen Fällen neurologische Störungen der Auslöser sind, dh Ausfälle des Nervensystems.
Neben einer Beeinträchtigung von Geruch und Geschmack kann eine Koronainfektion natürlich auch schwerwiegendere Folgen haben: Laut DGN können „diffuse Hirnschäden mit neurologischen und psychiatrischen Anomalien, Entzündungen des Gehirns und des Rückenmarks oder Schlaganfälle“ auftreten.
Das Merkwürdige ist, dass nicht nur Covid 19-Patienten mit kardiovaskulären Risiken einen Schlaganfall erleiden würden. Ein Schlaganfall kann auch bei jungen, „vaskulär gesunden“ Menschen auftreten.
Die Häufigkeit neurologischer Anomalien bleibt unklar
„Für einige der neurologischen Manifestationen ist noch nicht klar, wie häufig sie in Covid-19 tatsächlich vorkommen“, sagte Professor Peter Berlit, Generalsekretär der DGN, in einer Pressemitteilung.
Aber auch wenn nach heutigem Kenntnisstand der Prozentsatz nur etwa der von ist SARS oder MERS würde der absoluten Anzahl neurologischer Erkrankungen in Covid-19 angesichts der enorm hohen Infektionsraten entsprechen, die weltweit als hoch einzustufen sind. Dies muss bei der Patientenversorgung berücksichtigt werden, sagte Berlit.
Studie: 87 Prozent nach Covid-19 nicht beschwerdefrei
Besorgniserregend ist auch die Tatsache, dass die neurologischen Symptome häufig bestehen bleiben. Dies zeigt eine aktuelle Studie aus Italien. Sie untersuchte, ob und welche Symptome bei Covid 19-Patienten nach der Entlassung aus dem Krankenhaus bestehen blieben. 87 Prozent der Patienten hatten danach noch Symptome.
Die häufigsten neurologischen Konsequenzen in dieser Studie waren:
- Müdigkeit oder Erschöpfung, dh anhaltend starke Erschöpfung (ca. 53 Prozent)
- Geruchsbeeinträchtigung (ca. 16 Prozent)
- Geschmacksstörungen (ca. 11 Prozent)
- Kopfschmerzen (ca. 10 Prozent)
- Schwindel (ca. 5 Prozent)
Die Ergebnisse wurden in der englischsprachigen Zeitschrift „JAMA“ veröffentlicht.
Kopfschmerzen: Nach dem Leiden an Covid 19 klagen einige Patienten über anhaltende Schmerzen. (Quelle: NickyLloyd / Getty Images)
Die spanische Grippe führte auch zu Langzeiterkrankungen
Nach Angaben der DGN führte die spanische Grippe, die von 1918 bis 1920 eine Pandemie als Influenzavirus verursachte, bei vielen Betroffenen zu dauerhaften neurologischen Problemen. Über eine Million Menschen litten ein Jahrzehnt lang unter den Folgen der sogenannten europäischen Schlafkrankheit, einer Entzündung des Gehirns.
„Dies zeigt, dass die neurologische Nachsorge für Covid 19-Patienten mit entsprechender fortgeschrittener Diagnostik äußerst wichtig ist“, sagt Professor Berlit.
Wie können neurologische Symptome erklärt werden?
Die Tatsache, dass Coronaviren im Allgemeinen neurologische Symptome verursachen können, wurde bereits beim SARS-Ausbruch in den Jahren 2002 und 2003 deutlich. Die Viren wurden zu diesem Zeitpunkt in den Gehirnzellen nachgewiesen, nicht jedoch in den benachbarten Blut- oder Lymphkanälen, schreibt die DGN. Dies spricht für einen Infektionsweg über die Nervenzellen und nicht über Blut oder Lymphgefäße.
Mit dem neuen Koronavirus SARS-CoV-2 hingegen war der direkte Virusnachweis in Nervenwasser bisher nur in Einzelfällen erfolgreich. Die Experten schließen daraus, dass indirekte Reaktionen des Körpers auf das Virus eine Rolle bei der Entwicklung der neurologischen Symptome spielen könnten.
„So erklärt wahrscheinlich die klare Aktivierung des Gerinnungssystems in Covid-19 zumindest einige der Schlaganfälle“, erklärt Professor Hans-Christoph Diener, Sprecher der DGN in der Pressemitteilung.
Die Studie der Berlin Charité findet Hinweise auf eine Funktionsstörung des Immunsystems
Das Immunsystem könnte dabei eine entscheidende Rolle spielen. Dies zeigen Studien einer Charité-Gruppe an elf Intensivpatienten mit Covid-19 und neurologischen Symptomen für spezielle Antikörper. Das Ergebnis: Die Forscher fanden tatsächlich Hinweise darauf, dass das Immunsystem bei schwerkranken Covid 19-Patienten auf körpereigene Nervenzellen abzielen kann. Die Studiendaten wurden am 6. Juli als Preprint veröffentlicht.
Bisher konnten die Charité-Forscher noch nicht mit Sicherheit erklären, warum das körpereigene Immunsystem bei einigen Patienten auch gegen gesunde Nervenzellen gerichtet ist.
Laut DGN-Generalsekretär Professor Berlit sind noch nicht alle Mechanismen geklärt, die zu einer neurologischen Beteiligung bei Patienten mit Covid 19 führen. Weitere Erkenntnisse von einer größeren Anzahl von Patienten sind erforderlich, um die Ursachen zu untersuchen. Der von den Charité-Forschern vermutete krankheitsauslösende Prozess erscheint jedoch plausibel und eröffnet auch Behandlungsmöglichkeiten. Denn mit viral ausgelösten Autoimmunreaktionen kann man erfolgreich mit Immuntherapien behandeln.