VW ID.4 im Test: Kann der elektrische SUV von Volkswagen mit Tesla mithalten?
Vielleicht war es ein Zufall, aber VW hätte die ersten Fahrten mit dem elektrischen SUV ID.4 nicht viel passender planen können: Sie waren für die Zeit als Tesla-Chef geplant Elon Musk war vor kurzem zu Besuch in Deutschland.
Während sich die VW-Entwickler auf dem großen, sonst meist geheimen Testgelände in Ehra-Lessien über die Schulter schauen ließen, stapfte der Tesla-Chef ein paar hundert Kilometer östlich durch die Brandenburgische Heide. Dort wurde ihm die Baustelle für die Fabrik gezeigt, auf der der wichtigste Gegner der ID.4 bald vom Band laufen wird – das Modell Y., auch ein Vertreter des boomenden mittelgroßen SUV-Segments.
Die mit beiden Veranstaltungen verbundene Bedeutung könnte für die Unternehmen kaum größer sein: Musk nennt sie Gigafactory in Grünheide Mit einer Jahreskapazität von 500.000 Autos ist es vielleicht das wichtigste Automobilwerk der Welt. Das Modell Y sollte das Modell 3 als das meistverkaufte Auto der Kalifornier ersetzen und Tesla zu einem echten Massenhersteller machen.
VW-Chefingenieur Frank Bekemeier spricht auf der ID.4 (Weltpremiere am Mittwoch, 23. September) über das wichtigste Modell in der Elektrooffensive des Konzerns. Sie feiern das Elektro-Kleinwagen ID.3 eine Klasse darunter als Leuchtturm und „Golf des neuen Zeitalters“. Aber es ist ein europäisches Phänomen und sein Segment schrumpft, gibt Bekemeier zu.
Die ID.4 hingegen wird weltweit angeboten und wird in Kürze auch in China und im US-amerikanischen Werk in Chattanooga gebaut. Wie das Modell Y ist es eines der Crossover-SUVs mit einer hohen Sitzposition, einer stämmigen Silhouette und einem großen Kofferraum. So wie das Golf im weltweiten Vertrieb von Tiguan wurde überholt, sollte die ID.4 die ID.3 überholen, sagt Bekemeier. Er kann sich nicht vorstellen, dass sich eines der mehr als drei Dutzend anderen geplanten E-Modelle im VW-Konzern besser verkaufen wird.
Zu Preisen ab knapp 37.000 Euro in Deutschland (dh 7.000 Euro über dem ID.3) gibt es ein Auto, das viele traditionelle VW-Werte geschickt in die Moderne übersetzt:
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Das Design sieht frischer und frecher aus als der Tiguan, aber es wird niemanden abschrecken
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Das Betriebssystem ist einfach zu bedienen – obwohl es mit dem kleinen freistehenden Display hinter dem Lenkrad ungewöhnlicher aussieht als beim neuen Golf
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Die Materialien sehen eleganter aus als in der von Hartplastik dominierten ID.3 und fühlen sich besser an. Es gibt weich geschäumte Kunststoffe und saubere Metallkonsolen.
Fahren kommt mir auch bekannt vor. Der ID.4 ist für seine Größe ungewöhnlich praktisch, da sich die Vorderräder ohne großen Motor dazwischen weiter drehen können. Und dank des großzügigen Drehmoments des Elektromotors sind die rund zwei Tonnen nicht mehr spürbar. Bekemeier wollte jedoch keine Personen entlarven, die von Benzin oder Diesel auf Besonderheiten von Elektroautos wie das Einpedalfahren umstellten. Der Elektromotor des ID.4, der zum Generator umgedreht wurde, bremst daher – anders als bei solchen Autos – nur minimal ab Nissan Leaf oder das Polestar 2. Wenn Sie das Gaspedal betätigen, gewinnen sie mehr Strom zurück und kommen auch ohne Bremse schnell zum Stillstand.
Der Fahrer kann das Streckenprofil in der ID.4 mit gutem Gewissen wählen wie beim Tiguan: Durch die Stadt ist es ebenso agil, auf der Autobahn ruhig und auf der Landstraße mit Engagement – dank progressiver Lenkung und adaptivem Fahrwerk. Der ID.4 rollt unbeirrt über die Schotterstraßen, Waldwege und schlammigen Wüsten von Ehra-Lessien, auf denen VW seine Rallye-Autos abstimmt. Die Kunden müssen in den ersten Monaten mit Hinterradantrieb auskommen. VW fügte später eine Allradversion hinzu.
Auf der anderen Seite ist das Raumgefühl anders – aus Sicht der Tiguan-Fahrer, aber auch für potenzielle Tesla-Umschalter: Mit 4,58 Metern Länge und 2,77 Metern Radstand bietet der ID.4 deutlich mehr Platz, insbesondere für Hinterbänke, als der Verbrennungs-SUV aus Wolfsburg und auch als Konkurrent aus Grünheide. Beide sind viel länger. Der Kofferraum des VW ist ebenfalls mit einem Fassungsvermögen von fast 600 Litern zu sehen. Für andere Transportaufgaben installiert VW Dachreling und rüstet den ID.4 als eines der wenigen Elektroautos mit Anhängerkupplung aus.
In Sachen Leistung sucht der ID.4 kein Duell mit Teslas Modell Y – das ebenfalls rund 20.000 Euro teurer ist. Der Heckmotor mit seinen vier Leistungsstufen von 109 bis 150 kW beschleunigt im besten Fall in rund acht Sekunden auf 100 km / h bei einem maximalen Drehmoment von 310 Nm.
Solide versus cool – reicht das für VW?
Weder die 3,7 Sekunden des Modells Y noch seine Höchstgeschwindigkeit von 150 km / h können mit der ID.4 erreicht werden. VW macht 160 Dingen ein Ende. Nur das kommende Topmodell mit 150 kW hinten und einem 75 kW-Motor an der Vorderachse erreicht 180 km / h und wird von allen Vieren angetrieben. Die klassische, hedonistische Tesla-Kundschaft von Volkswagen sollte nicht auf seiner Seite stehen.
Die Energie wird von einem Lithium-Ionen-Block im Boden des Autos geliefert, den VW zunächst in zwei Größen liefert. Das Einstiegsmodell verwendet eine Nettokapazität von 52 kWh, was für eine Entfernung von 350 Kilometern ausreichen sollte. Die teureren Varianten fahren mit 77 kWh bis zu 520 Kilometer und übertreffen damit nur Tesla. Die kleine Batterie wird mit maximal 100 kW und die große mit bis zu 125 kW aufgeladen, so dass an einer typischen Schnellladestation innerhalb von 30 Minuten über 300 Kilometer Strom fließt.
Solide Fakten – aber reicht das aus, um Stammkunden von Tesla und dem Modell Y fernzuhalten? Vielleicht wird das kühlere Auto in Grünheide gebaut, und wie Popstar Musk werden die Wolfsburger Entwickler auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht gefeiert.
Die Hoffnung könnte jedoch die VW-Fans zu dem Tempo machen, mit dem die Gruppe jetzt arbeitet. Während der Teslas aus Brandenburg frühestens im nächsten Sommer auf die Straße gehen wird, hat die Produktion des ID.4 in Zwickau bereits begonnen. Die ersten Kunden sollten vor Weihnachten am Steuer sitzen.